Wunderthausen. 72 ist eine schöne Zahl, aber eigentlich nicht so eine richtig runde, die ein besonderer Anlass zum großen Feiern ist. Aber als der Wunderthäuser Posaunenchor vor zwei Jahren sein 70-jähriges Bestehen feiern wollte, da machte ihm Corona einen Strich durch die Rechnung. Auch in den Monaten danach waren Dinge wegen der Pandemie mühsam, gerade im Zusammenhang mit Chören – sei es beim Singen oder beim Posaune-Spielen – lernte man das Fremdwort „Aerosole“ mit all seinen Fallstricken ganz neu kennen. Vielen graut schon wieder vorm kommenden Herbst, deshalb nutzte der Posaunenchor Wunderthausen jetzt die Chance und feierte nachträglich sein 70-jähriges Bestehen mit einem musikalischen Festgottesdienst in der Schützenhalle Wunderthausen.Der frühere Gemeindepfarrer Dr. Helmut Hollenstein nahm dabei seine 130 Zuhörerinnen und Zuhörer mit auf eine Reise durchs Kirchenjahr. Ausgehend vom Advent ging es über Weihnachten, Ostern und Pfingsten zum Ewigkeitssonntag, zwischendurch wurden weder Epiphanias noch der Johannistag, weder Gründonnerstag noch Christi Himmelfahrt, weder der Sonntag „Cantate“ noch das Erntedankfest, weder der Reformations- noch der Buß- und Bettag vergessen. Und wenn Helmut Hollensteins detaillierter und anschaulicher Text für sich genommen zweifelsohne schon allein sehr gut stehen konnte, so lieferte er an diesem Sonntagabend eigentlich die Stichworte für die Musik: Zu jedem Anlass im Kirchenjahr gab es mindestens ein passendes Lied. Die Wunderthäuser Bläser hatten sich fürs Runde-Geburtstags-Konzert mit dem CVJM-Posaunenchor Girkhausen verstärkt. Das funktionierte gut, weil beide ohnehin von dem Girkhäuser Georg-Adolf Spies dirigiert werden.Die Bandbreite des Abends war schwer zu fassen, aber ins Programm passte sowohl das „Hallelujah“ aus Georg Friedrich Händels Oratorium „Messias“ als auch das Kinderlied „Gottes Liebe ist so wunderbar“. Und dennoch wirkte der Abend wie aus einem Guss. Es wurden viele Brücken geschlagen: Da wunderte es einen auch gar nicht, dass das 400 Jahre alte geistliches Sommerlied „Geh‘ aus, mein Herz, und suche Freud“ auf einmal mit einem coolen Vorspiel von Traugott Fünfgeld daherkam. Bei diesem Paul-Gerhardt-Werk durfte die Festgemeinde auch mitsingen. Insgesamt dauerte der Gottesdienst rund 100 Minuten, aber an diesem Abend schaute niemand auf die Uhr.Nach einer kleinen Pause blickte Georg Riedesel als Vorsitzender kurzweilig auf die 72 Jahre lange Geschichte des Wunderthäuser Posaunenchors zurück: „Den Grundstein unseres Posaunenchors legte 1950, der damalige Pfarrer Halaski, der die ersten Instrumente zusammen geliehen hatte und somit den sechs Gründungsmitgliedern ein Proben ermöglichte. Nur fünf Jahre nach Kriegsende gab es natürlich keinen Probenraum und so fanden die Proben reihum in den guten Stuben unserer Vereinsgründer statt.“ Der Vorsitzende erinnerte an ein Posaunenchor-Gastspiel vor 600 Gefangenen in der Justizvollzugsanstalt Werl, überschlug wie viele Kilometer Dirigent Georg-Adolf Spies über die Jahrzehnte seines Dienstes wohl zwischen Girkhausen und Wunderthausen zurückgelegt hatte, zudem erfuhr man, seit wann und weshalb der Wunderthäuser Posaunenchor eine Instrumenten-Versicherung hat. Den festlichen Rahmen nutzte Georg Riedesel auch für Werbung in eigener Sache: „Aktuell zählt unser Posaunenchor nur noch zwölf aktive und 26 passive Mitglieder, wobei der Altersdurchschnitt der Aktiven bei 52,25 Jahren liegt. Daher nochmals die Aufforderung: Werdet Teil unserer Gemeinschaft, Instrumente haben wir noch einige in Petto, Bläserinnen und Bläser fehlen uns.“ Den kompletten Bericht vom Vorsitzenden kann man auf der Homepage des Wittgensteiner Kirchenkreises nachlesen. Die Gäste an diesem Abend waren sogar aus dem Banfe- und dem Lahntal nach Wunderthausen angereist, die meisten kamen aber von vor Ort: Alle Erwachsenen-Altersgruppen waren vertreten. Gerhard Knoche sprach als Vorsitzender des Wunderthäuser Brauchtumsverein im Namen aller örtlichen Vereine ein Grußwort, Alexander Meznar als Vorsitzender vom CVJM-Posaunenchor Girkhausen ebenfalls. Uns am Ende hatte es ja auch einen Vorteil, wenn man seinen 70. mit zwei Jahren Verspätung begeht: Bis zum nächsten richtigen Jubiläum dauert es jetzt nur noch drei Jahre. In 2025 steht das 75-Jährige an.

Bildhinweis: 130 Besucherinnen und Besucher kamen in die örtliche Schützenhalle zum Festgottesdienst „70 Jahre Posaunenchor Wunderthausen“, der jetzt corona-bedingt mit zwei Jahren Verspätung gefeiert wurde.

(Foto: privat| Stand: 08.10.2022, 08:06 Uhr)