Wunderthausen/Bad Berleburg. „Rogate“ ist Lateinisch und heißt „Betet“. So war der vergangene Sonntag überschrieben. Dementsprechend stand das Thema für die beiden Gottesdienste fest, mit denen sich Rafael Dreyer in den Kirchengemeinden Bad Berleburg und Lukas im Elsoff- und Edertal vorstellte und um eine Pfarrstelle bewarb. Eigentlich wäre man von zwei identischen Gottesdiensten ausgegangen, aber der 49-Jährige hatte keinen ausformulierten Predigttext dabei. Stattdessen ein Konzept, mit dem er spontan auf Gegebenheiten vor Ort eingehen konnte. So ließ er Samstagabend an die 50 Besucherinnen und Besucher in der Wunderthäuser Kirche kleine Zettel und Kugelschreiber für Gebets-Anliegen verteilen, die er tatsächlich ins Fürbittengebet aufnahm. Das hätte bei den 100 Gottesdienst-Gästen in der Berleburger Stadtkirche am Sonntagmorgen den Rahmen gesprengt. Und während er das Lied, das er Strophe für Strophe in seine Predigt einbezog, in Wunderthausen solo sang, konnte er in Bad Berleburg auf die Unterstützung von Organist Hans-Werner Christ setzen. Aber auch die Predigten waren unterschiedlich. Das Thema „Beten“ an sich bot ihm zunächst die Möglichkeit, zu berichten, wie dort gebetet wird, wo Rafael Dreyer derzeit als Pfarrer arbeitet: im westafrikanischen Ghana. Das ist ganz anders als bei uns, was er sehr anschaulich darstellte. Vielleicht, weil man sofort spürte, welch ein Herzens-Thema das Beten für Rafael Dreyer ist, oder vielleicht, weil er gerade meistens vor einem Publikum predigt, das vom Pfarrer auch emotional mitgenommen werden will, sprudelten die Predigten aus ihm heraus. In schnellen Assoziationen mit unterschiedlichen biblischen Geschichten und kraftvollen afrikanischen Alltags-Beispielen ermutigte er die Zuhörenden, neu übers Beten nachzudenken. Und plädierte nicht nur dafür, dass Gebete weder aggressiv noch apathisch sein sollten, sondern stellte anhand des Vaterunsers auch die unumstößliche Grundlage für unsere Gebete fest. Vorm Bitten gelte es, Gott als das Fundament klar zu haben: „Geheiligt werde dein Name.“ Als der Pfarrer bei allem Predigen mal auf die Uhr schaute, sagte er in Wunderthausen: „Ich hoffe, wir haben noch ein bisschen Zeit.“ Auch wenn er nicht über Gebühr lange predigte, so wurde doch klar, dass die Kirchengemeinden keinen Kurz-Prediger bekommen, wenn er gewählt wird. Beten, Predigen, auch das Singen ist eine Leidenschaft von Rafael Dreyer. Nochmal der Pfarrer im Wunderthäuser Gottesdienst: „Ich singe gerne viele Strophen.“ So war die Antwort eigentlich klar, als Berleburgs Pfarrerin Christine Liedtke Montagabend am Klavier fragte, wie viele Strophen vom Auftaktlied gesungen werden sollten. „Ja, alle!“, entgegnete Rafael Dreyer. An diesem Abend sprach er im Christus-Haus bei einer dritten Veranstaltung, mit der er sich vorstellte, unter der Überschrift „Bittet, so wird Euch gegeben“ über seinen Dienst seit 2017 in Ghanas Hauptstadt Accra. Durch das ökumenische Netzwerk „Evangelische Mission in Solidarität“ war er nach Ghana gekommen, ins Heimatland seiner Ehefrau. In Bad Berleburg warf er zunächst einen Blick auf die Missions-Geschichte, unterschied dabei sehr klar zwischen dem Wirken der Kirchenleute und den weltlich-wirtschaftlichen Kolonialherren und verwies darauf, dass es heute bei einem Auslands-Aufenthalt wie seinem um wechselseitige Wirkungen der beteiligten Menschen gehe. Deshalb laute seine offizielle Bezeichnung: Ökumenischer Mitarbeiter. Ghana präsentierte der Pfarrer als stabiles, wirtschaftlich aufstrebendes Land, in dem unterschiedliche Volksgruppen und Religionen – 70 Prozent Christen, 18 Prozent Muslime – friedlich zusammenlebten. Die Presbyterianische Kirche von Ghana, mit der Rafael Dreyer derzeit eng zusammenarbeitet, sei 1828 von Basler Missionaren gegründet worden und gewinne alljährlich überdurchschnittlich viele Gläubige hinzu: Während Bevölkerung des Landes um vier Prozent wachse, steige die Mitgliederzahl der Presbyterian Church sogar um acht. Auch diesen Vortrag über eine christliche Erfolgsgeschichte hielt Rafael Dreyer wieder mit viel Begeisterung und Schwung. Sie führte Horst Seeger als einen der 30 Zuhörer zu der Frage, was wir denn von Ghana lernen könnten? „Die Freude an Gott!“, so die Antwort von Rafael Dreyer. Die Berleburger Presbyterin Kerstin Keune fragte, auch nach den traumhaften Bildern, die der Referent von Ghana gezeigt hatte, was ihn wieder nach Westfalen, hoffentlich nach Wittgenstein bringe. Es sei fünf Jahre lang mal gut gewesen, das zu sehen, aber wenn man ehrlich sei, gebe es im aufstrebenden Christentum Ghanas genügend Pfarrer: „Dann geht man hin, wo man wirklich gebraucht wird.“ Dafür müssen die Kirchengemeinden Bad Berleburg, Girkhausen und Lukas, die alle drei künftig von einem Interprofessionellen Pastoral-Team, zu dem auch Rafael Dreyer gehören soll, kirchlich betreut werden, seiner Wahl zustimmen. Das passiert in den Presbyterien Anfang Juni. Und dann gibt es nur noch eine Aufgabe für sie, aber eine ganz wichtige. Wenn Rafael Dreyer im Sommer nach Wittgenstein kommt, dann brauchen die Gemeinden für ihn, seine Ehefrau Esther, die neunjährige Tochter Sara Ofeibea und den fünfjährigen Sohn Sergio Akuffo in der Berleburger Kernstadt eine Wohnung oder ein Haus zum Mieten. Wer da etwas ab dem 1. August zu bieten hat, wendet sich an das Berleburger Presbyterium oder ans Gemeindebüro. Einige Fotos von Rafael Dreyers Tagen in Wittgenstein gibt es auf der Homepage des Evangelischen Kirchenkreises Wittgenstein.

Bildhinweis: Nach dem Gottesdienst in der Berleburger Stadtkirche kam Rafael Dreyer beim Kirchkaffee auch noch ins Gespräch mit Wittgensteinern.

(Foto: Kirchengemeinde Wittgenstein| Stand: 10.06.2022, 08:01Uhr)