Regionalplan zwingt Landwirtschaft in die Knie

WLV und heimische Landwirte sprechen über die drastischen Folgen der BSN-Flächen - „Regionalität vor dem Aus“

Raumland. (bwh) Bernd Henk ringt mit der Fassung. „Unserem und vielen anderen Betrieben hier in Wittgenstein geht es an die Existenz“. Die Problematik ist Menschengemacht. Und daher geht der Westfälisch-Lippische Landschaftsverband mit den Kreisverbänden Siegen-Wittgenstein und Olpe (WLV) scharf mit dem Regionplan mitsamt des Teilplans MK-OE-SI scharf ins Gericht. „Was der Regionalplan im Grunde bezwecken will, ist eine Raumordnung in einer Region zu schaffen. Der vorliegende Regionalplan fußt auf dem Landesentwicklungsplan NRW“, erklärt Henner Braach, Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Siegen-Wittgenstein. „Pläne sind dafür gemacht, Regionen nach vorne zu bringen und nicht abzuhängen.“Umfassend dargestellt sind dort räumlich Neuordnungen in Bezug auf Gewerbe- und Wohngebiete, Windenergiebereiche und etwa Bereiche für den Schutz der Natur. Viele der rund 1.770 landwirtschaftlichen Betriebe sind von diesen BSN-Flächen direkt betroffen. „Die Landwirtschaft hat über viele Jahrzehnte beweisen, dass sie in ihrer Mehrzahl auch ohne hohe Schutzkategorien verantwortungsvoll wirtschaften“, heißt es in der Stellungnahme. Konkrete BSN-Einschränkungen finden sich etwa in den Mähzeitpunkten und dem Einsatz von Düngemitteln.

Alle Kapazitäten für den Regionalplan gebunden

Über 5.000 Seiten fasst das ‚Bürokratiemonster‘, welches den WLV nach der Veröffentlichung im Januar überrumpelt hat. „In einer Zeit, in welcher keine Veranstaltungen und der persönliche Kontakt möglich waren, tauchte der Regionalplan auf. Ein so komplexes Thema hiesigen Landwirten verständlich zu machen und in einem kurzen Zeitfenster bis zur Widerspruchsfrist aufzuarbeiten, war alles andere als einfach. Da musste erst eine Struktur erkannt werden – was ist überhaupt wichtig und was nicht, welcher Bereich ist betroffen, welcher nicht?“, so Georg Jung, Geschäftsführer der Landwirtschaftlichen Kreisverbände Siegen-Wittgenstein und Olpe. Das Planungswerk führte zu einer Überforderung in der Geschäftsstelle. „Wir haben alle Kräfte und Energien gebündelt“, berichtet Jung und geht im gleichen Zuge auf Grenzgebiete ein, deren Verläufe nicht im Ansatz erkannt werden konnten. „Wenn die Grenze auf der Karte einen Zentimeter breit ist und damit 50 in der Natur, dann blickt man in fragende Gesichter“, ist seine ernüchternde Bilanz. „BSN“-Flächen treffen die örtlichen Landwirte in Mark und Bein. Kreislandwirt Lothar Menn gibt einen Einblick auf die Flächenverteilung im Kreis: „Siegen-Wittgenstein besitzt rund 20.000 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche, davon sind bereit 5.800 Hektar Ökofläche und 3.500 Hektar extensiv bewirtschaftetes Grünland. Nun erfahren wir deutliche Einschränkungen durch BSN. Es weiß wohl keiner, was wir machen. Wir versorgen die Gesellschaft mit hochwertigen Nahrungsmitteln und diese Flächen schränken unsere Arbeit massiv ein. Jeder Landwirt unterstützt den Naturschutz. Dann aber auch da, wo es wirklich Sinn macht und nicht wahllos mit dem Stift eingezeichnet wurde.“ Bernd Henk ist einer der betroffenen Landwirte. 450 Jahre existiert der Betrieb schon, er selber ist verheiratet und hat fünf Kinder.

Landwirte als Vorreiter in Sachen Umweltschutz

„Ich muss nicht mehr Arbeiten. Mein Beruf ist zur Berufung geworden. Ich habe mich sehr damit beschäftigt, wie ich mich ausdrücke“, erzählt Bernd Henk. Seine leistungsstarke Milchviehherde zählt zu den besten 25 in ganz NRW, Land- und Forstwirtschaft wurde stets im Einklang mit der Natur betrieben. Während die Forstwirtschaft vom Borkenkäfer bedroht ist, ringt Bernd Henk nun um die wirtschaftliche Grundlage durch die BSN-Flächen. „Eine neue Vorschrift ist, dass Wiesen erst wesentlich später gemäht werden sollen. Unsere Herde ist auf die energie- und eiweißreichen Futtermittel durch eine frühe Ernte angewiesen. Bedeuten würde das: Import von eiweißergänzendem Futtermittel, etwa Sojamehl aus Brasilien. Wir stehen für Regionalität, Nachhaltigkeit und Klimaneutralität. Hochwertige Lebensmittel sollen umdiktiert werden – in Zeiten des Klimawandels meine ich, man hat den Schlag bei solch einer Planung nicht gehört“. Bernd Henk ist aufgebracht. BSN-Flächen gehen an die Existenz vom Hof Niederaue in Raumland an der Eder. Rund die Hälfte seiner Flächen sind als eben diese im Regionalplan markiert. Er selbst ermöglicht durch nachhaltige Landwirtschaft einen Lebensraum für viele Tiere. Seine Kinder haben Wasserflächen für Feuersalamander angelegt. Unisono fühlen sich die regionalen Landwirte hintergangen, die Macher kommen schließlich aus gesicherten Verhältnissen, heißt es. „Ohne junge Schnitte werden die Tiere krank“, ergänzt Georg Jung. „Unsere Landwirte müssen leben. Natürlich unterstützt der WLV Biotopverbünde, aber das funktioniert schon alleine mit offenen Naturräumen und nicht mit rein bürokratischen BSN-Flächen.“ Der WLV besteht auf eine großzügige Ausgrenzung landwirtschaftlicher Betriebe. „Wir erwarten eine Nachbearbeitung durch die Bezirksregierung“, meint Lothar Menn.

(Foto: B. Weinhold| Stand: 29.07.2021, 17:11 Uhr)