Bad Berleburg. Hätte Jaime Jung vor gut 200 Jahren seine Stelle in Birkelbach angetreten, dann hätte er dort ohne weitere Genehmigung einfach so angeln dürfen. „Zu Beginn des 19. Jahrhunderts hatte der Pfarrer von Birkelbach noch Fischereirechte in den Bächen seiner Gemeinde. Über ihre Herkunft war er sich nicht im Klaren, er leitete sie darum aus dem Patronatsrecht her.“ So schrieb es Dr. Johannes Burkardt schon vor 20 Jahren in einem Vortrag zum Thema „Patronate“. Der Berleburger Pfarrerssohn ist heute Leiter der Abteilung Ostwestfalen-Lippe des Landesarchivs NRW in Detmold, darüber hinaus betreut er ehrenamtlich das Archiv des Wittgensteiner Kirchenkreises.
Über Jahrhunderte gab es in Wittgenstein eine besondere Beziehung zwischen der Kirche und den Fürstenhäusern, die auch nach dem Ende der Monarchie in Deutschland vor mehr als 100 Jahren nicht abbrach. Heute ist diese vor allem symbolisch, aber auch weiterhin bekommen Pfarrerinnen und Pfarrer in diesen besonderen Pfarrstellen Urkunden von ihren Patronen. Bereits im vergangenen Sommer hatte Jaime Jung bei einem gemeinsamen Gespräch Bernhart Fürst zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein kennengelernt, den Patron für die Erndtebrücker Hälfte seiner Pfarrstelle. Im Advent traf der gebürtige Brasilianer im Berleburger Schloss jetzt auch Gustav Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg, den Patron für die Birkelbacher Hälfte seiner Pfarrstelle. Gemeinsam mit Wittgensteins Superintendentin Simone Conrad, Christine Liedtke und Rafael Dreyer wurde er von Gustav Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg und dessen Ehefrau Carina empfangen. Simone Conrad hatte selbst lange Jahre eine Patronatspfarrstelle inne, Pfarrerin Christine Liedtke hat das Ehepaar im Juni verheiratet und Rafael Dreyer erhielt für seine Übernahme der Girkhäuser und einer Berleburger Pfarrstelle ebenso eine Urkunde wie Jaime Jung für die Birkelbacher Pfarrstelle. „Mich hat vor allem das Interesse von Prinzessin Carina an den beiden Neuen beeindruckt – sie war sehr zugewandt und ehrlich interessiert.
So hatten sowohl Jaime als auch Rafael die Möglichkeit, von ihrem Werdegang zu erzählen und wie sie in ihre jeweiligen Gemeinden gekommen sind“, freute sich im Nachgang Simone Conrad. Rafael Dreyer, der zuletzt fünf Jahre lang als Pfarrer in Ghana gearbeitet hatte, nahm seinerseits insbesondere einen Eindruck aus dem Schloss mit nach Hause: „Der Prinz zeigte sich interessiert an dem Waldaufforstungs-Projekt des neuen OIKOS-Instituts der Evangelischen Kirche von Westfalen, im Sinne der Bewahrung der Schöpfung.“ Auch für den gebürtigen Brasilianer Jaime Jung war es eine Bemerkung von Gustav Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg zum Wald, die in ihm nachhallte. Der habe gesagt: Alle, die an diesem Nachmittag am Tisch säßen, würden nach dem Borkenkäfer nie mehr den Wittgensteiner Wald sehen, wie er über Jahrhunderte gewesen sei, Wiederaufforstung brauche Zeit – und trotzdem müsse man wieder Bäume pflanzen. Jaime Jung erinnerte das an die Arbeit der Kirche und der Menschen in den Gemeinden: Auch und gerade in schweren Zeiten gelte es, die Frohe Botschaft unbeirrt weiterzusagen. Und am Ende könne und müsse man sowieso immer auf Gott vertrauen.
Dass er heute nicht mehr einfach so in den Birkelbacher Kirchspiel-Bächen fischen darf, bedauert der Bauernsohn Jaime Jung ein bisschen. Das habe er als Kind in Brasilien nämlich immer sehr gern gemacht.
Bildhinweis: Nach dem Treffen in Schloss Berleburg gab es noch die Gelegenheit für dieses Foto: Jaime Jung, Simone Conrad, Gustav Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg und seine Ehefrau Carina, Rafael Dreyer sowie Christine Liedtke (von links)
(Foto: privat| Stand: 30.12.2022, 09:03 Uhr)