Wittgenstein. Der Wisent-Trägerverein hat den „Öffentlich-rechtlichen Vertrag für die Freisetzungsphase ,Wisente im Rothaargebirge‘“ gekündigt. Gleichzeitig hat er das Eigentum an den frei lebenden Tieren aufgegeben. Damit sind die Wisente nun herrenlos. Sie unterliegen jetzt dem strengen Artenschutzrecht und fallen in die Zuständigkeit des Landes NRW. Diese beiden Schritten – Vertragskündigung und Eigentumsaufgabe – waren für den Wisent-Verein die letzte Möglichkeit, das Artenschutzprojekt zu retten und den Wisenten im Rothaargebirge eine Zukunft in Freiheit zu geben. Damit sieht der Wisent-Verein das Wiederansiedlungs-Projekt zugleich als abgeschlossen und seine diesbezügliche Aufgabe als beendet an. Das Besucherareal „Wisent-Wildnis am Rothaarsteig“ ist davon nicht betroffen, es hat weiter wie gewohnt geöffnet. Der Öffentlich-rechtliche Vertrag ist bereits 2013 zwischen dem Kreis-Siegen-Wittgenstein, der Bezirksregierung Arnsberg, dem Landesbetrieb Wald- und Holz Nordrhein-Westfalen, der Wittgenstein-Berleburg’schen Rentkammer und dem Wisent-Verein geschlossen worden. Er regelt die Freisetzungsphase und hat über längere Zeit eine Duldungswirkung gegenüber den betroffenen Waldbauern erzeugt. Aus Sicht des OLG Hamm war das Ziel der Freisetzungsphase aber schon länger erreicht, so dass ihre Fortsetzung nicht mehr plausibel erschien und die Duldungswirkung entfallen ist. Nach dem Eintritt der Rechtskraft der Urteile und der dann erfolgten Androhung von Zwangsgeldern durch die Klägerseite wäre aus Sicht des Vereins eine schnelle und konstruktive Zusammenarbeit der Vertragspartner dringend erforderlich gewesen, um das Projekt auf einer neuen vertraglichen Grundlage in die von allen angestrebte Phase der Herrenlosigkeit zu überführen. Dieser politische Wille ist in den vergangenen Sitzungen bei den Vertragspartnern jedoch nicht erkennbar gewesen. Zum Wohle der Wisente sah der Trägerverein deshalb keine andere Möglichkeit als die Vertragskündigung und die Aufgabe des Eigentums an den Tieren. Damit haben die Wisente den Status der Herrenlosigkeit erlangt, sind nunmehr nach den Regelungen des besonderen Artenschutzrechts streng geschützt und damit auch von den Waldbauern (wieder) zu dulden. Der Verein bedauert den Schritt der Vertragskündigung, da er das in Westeuropa einzigartige Artenschutzprojekt in Westeuropa gerne gemeinsam mit den Vertragspartnern erfolgreich ins Ziel geführt hätte. Dazu hat der Verein stets alles Erforderliche getan, neue Kooperationspartner gewonnen und angeboten, tatkräftig daran mitzuwirken, dass die Ergebnisse des Gutachtens zur Freisetzungsphase erfolgreich umgesetzt werden. Das blieb aber bei den Vertragspartnern ohne jede Resonanz. Daher hat der Verein angesichts des Scheiterns der Verhandlungen sein Recht in Anspruch genommen, den Vertrag zu kündigen. Dabei hatte auch das Ende 2021 vorgelegte wissenschaftliche Gutachten den artenschutzrechtlichen Wert des Projektes betont und Wege für die weitere Optimierung und Fortführung empfohlen. Dafür sollte das Management auf eine breitere Basis gestellt werden. Mit der Gründung der Wisent-Allianz – unter Beteiligung des Kölner Zoos und der Deutschen Wildtierstiftung – hat der Verein auch dieser Forderung Rechnung getragen. Das Wisent-Projekt ist vor mehr als zehn Jahren auf Initiative von Richard Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg ins Leben gerufen worden. Zahlreiche Menschen haben sich seitdem dafür auf vielfältige Weise vorbildlich engagiert. Die Wisente sind zu positiven Markenbotschaftern einer ganzen Region geworden. Nun ist das Ziel einer rechtlich stark geschützten frei lebenden Wisent-Herde im Rothaargebirge erreicht worden. Auch wenn der Weg dorthin ursprünglich ein anderer sein sollte.

Bildhinweis: Die Wisente in der freien Natur.

(Foto: Trägerverein| Stand: 11.10.2022, 08:30 Uhr)