Mayschoß an der Ahr. Sonntäglicher Arbeitseinsatz im Ahrtal: Seit der Flutkatastrophe helfen viele Freiwillige – auch aus Wittgenstein – die überschwemmten Häuser zu entrümpeln und die Schuttberge abzutragen. Mit dabei waren am letzten Wochenende Sandra Kuffner aus Wingeshausen, ihre Mutter Anita Böhl und Rolf Benfer. Und das nach dem Weinfest des Dotzlarer Heimatvereins am Tag zuvor. Wie passend oder eher unpassend? Leider wollen keine weiteren Wittgensteiner diesen Sonntag den Ahrtalbewohner schenken. Einige Busplätze bleiben frei. Ein paar Siegerländer aus Kreuztal-Eichen (Max, Dieter und Marion) gabeln wir noch auf . Alle in Arbeitsklamotten. Die sind zu diesem Zeitpunkt noch genau so sauber und unverletzt wie die Arme, der Kopf und die Fingernägel. Das sieht Abend dann schon anders aus. Eintreffen im Ahrtal. Gänsehaut überzieht das Rückrat. War hier Krieg oder was? Eisenbahngleise hängen rum, Brücken sind weggerissen, Weinfelder sind nicht mehr zu erkennen, die Eisenpfähle wie Streichhölzer umgeknickt. Was die Wittgensteiner heute erwartet? Sandra Kuffner weiß es, sie war schon paar mal mit ihrer Firma hier. Sie hält ständig Kontakt zu Bürgermeister „Fred“ in Dernau. Doch jetzt wird unsere Hilfe in Mayschoß erwartet. Hier trifft die Truppe die befreundeten Mitstreiter aus Wenden. Sie sind „bewaffet“ mit Vorschlag- und Bohrhämmer, Kreuzhacken, Schaufeln, Trennschleifer und mit Lust zur Arbeit. Der Auftrag heute: „Einige Räume des Erdgeschosses des Hotel Lochmühle komplett entkernen.“ Also Handschuhe an, Schutzbrillen vor, Masken auf und ganz wichtig: Ohrenstopfen rein! Der Krach ist unbeschreiblich. Hier brüllt der Bohrhammer, dort im ehemaligen Sanitär- und Saunabereich werden die Fliesen „runter gekloppt“. Hier ein Kleinbagger, der mit einem großen Meißel den Estrich aufhämmert. Dort kreischt die schwere Metalltrennsäge und zerschneitet die großen Heizkörper. Es riecht nach Dieselgestank, aber auch nach den Überresten des Schlammes. Nur nicht dran denken, was da alles drin sein kann. Kraftvoll setzen die Wendener Jungs den Vorschlaghammer ein. Jetzt fallen unter lautem Spektakel die meterlangen Entlüftungsrohre. Endlich Platz für Max aus Eichen und mich. Steine, Schutt, Eisenreste müssen raustransportiert werden. Dann das Dilemma: Eine zwei Meter tiefe Grube muss geleert werden. Insgesamt fast drei Kubikmeter Dreck werden aus diesem engen Loch geholt. Überall tragen und fahren Helfer den Schutt aus den Kellerlöchern vor die Gebäude. Gegen Hunger und Durst steht immer was parat. Der örtliche Bäcker verschenkt Teilchen, Kaffee und positive Stimmung. Die Polizisten verteilen Mittagessen und Muffins zur Nachspeise.

Freiwillige Hilfe aus der ganzen Republik

Gelegenheit für lockere Gespräche mit Helfern, die aus allen Landesteilen Deutschlands kommen. So wie der Kollege aus Kassel, der insgesamt acht Stunden Fahrt auf sich nimmt, um hier in diesem Hotel noch nicht eingesehene Kellerräume, gefüllt mit undefinierbarer Flüssigkeit mittels seiner Hochleistungspume und einem Feuerwehr-C-Schlauch auspumt. Nun kommen die THW-Männer und Frauen aus Gera, während ein Monsterfahrzeug – ein Wasserwerfer – der Polizei auf die Wittgensteiner zurollt. Was sonst nur bei Demonstrationen eingesetzt wird, säubert hier die Straße und den Gehweg und nässt sie ein, damit der Staub einigermaßen erträglich bleibt. Zum Abschied kann gemeldet werden, dass mehrere Räume dank vieler Helfer entkernt wurden, jetzt trocknen dürfen und darauf warten, das das Ziel erreicht wird: Bald wieder Hotelbetrieb für die Handwerker, die man unbedingt für den weiteren Aufbau im Ahrtal benötigt, dieser wird noch Jahre dauern. Insgesamt stand die Ahr vor Ortr zehn Meter aus dem Bett, die sich heute wieder friedlich durch die Landschaft schlängelt. Eine Sonnenblume hat die Flut auf das Geländer gelegt. Eine Hoffnungsblume? Zum Abschied trifft sich die heimische Delegation auf dem Weingut Riske in Dernau zu einem Abschiedstrunk. Die ganze Familie erwartet uns und die Wendener Jungs zum Dankes- und Abschiedstrunk. Und der „schmutzige Wein“, der goldgelbe Riesling Feinherb, darf probiert werden und eine Kiste wird natürlich noch gekauft. Ein harter Tag geht zu Ende. „Aber wir und viele andere Helferinnen und Helfer schenken diesen Tag den Ahrtalern. Und es werden noch mehr freiwillige Tage dazu kommen. Da bin ich mir sicher. Der Muskelkater am Tag danach ist normal, die Kopfwunde juckt und die Stimme ist etwas brüchig. Und dies nicht nur wegen Staub und lautem Sprechen, auch wahrscheinlich wegen der Eindrücke und Gefühle.

Wittgenstein hilft

Ich darf es nicht vergessen: Danke an den Jugendförderverein Bad Berleburg für die Überlassung des Kleinbusses, der Firma Holz-Bald, Grabmale Bänfer und Heizung-Sanitär Reinhard Spies für die maschinelle Unterstützung. Und dem Weingut Riske für den „Absacker“. Und natürlich allen Helfern, die wie wir bestimmt wiederkommen werden. Auch aus Wittgenstein!“, so Rolf Benfer abschließend.

(Fotos: privat| Stand: 14.09.2021, 14:39 Uhr)