Siegen/Olpe. „Der Regionalplanentwurf geht an den Interessen des heimischen Wirtschaftsraumes weit überwiegend vorbei. Er knebelt kommunale Handlungsspielräume und schließt weitere Entwicklung aus, statt sie zu befördern. Aus Sicht der IHK muss die Regionalplanungsbehörde den Plan vollständig zurücknehmen.“ Felix G. Hensels Bewertung des mehrere tausend Seiten umfassenden Regelwerkes aus Arnsberg fällt düster aus. Kaum etwas Gutes kann der Präsident der IHK Siegen dem Papier abgewinnen. Der vorgelegte Entwurf sei in erster Linie ein „unausgegorener Umweltplan“, der weit über die Vorgaben des Landesentwicklungsplanes hinausreiche und den Kommunen die Luft zum Atmen nehme. Hensel: „Zwischen Abhandlungen zu ‚Regionalen Grünzügen‘, ‚Kaltluft-Leitbahnen‘ und ‚klimaökologischen Wirk- und Ausgleichsräumen‘ bleibt nur wenig Platz für wirtschaftliche Belange. Der Begriff ‚Wald‘ taucht in dem Regelwerk 1.044 Mal auf, der Begriff ‚Fachkräfte‘ dagegen genau einmal. Das sagt eigentlich alles.“
„Was würde eigentlich geschehen, wenn es keinen Regionalplan gäbe und sich die kommunale Bauleitplanung allein am Landesentwicklungsplan zu orientieren hätte? Vermutlich zunächst einmal gar nichts – außer, dass wir weniger Bürokratie hätten, die Kommunen mehr Spielräume bekämen und der Staat Millionenbeträge einsparen könnte. Der komplette Verzicht auf eine Übersetzung der Landesentwicklungsziele durch solch monströse Zwischenplanwerke würde sich als ein einziger bürokratischer Befreiungsschlag erweisen.“, so IHK-Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener. In der Sommersitzung der IHK Siegen verabschiedeten die hier vertretenen Unternehmer die gemeinsam mit der SIHK Hagen an die Bezirksregierung Arnsberg adressierte Stellungnahme einstimmig. Inhaltlich werde der Entwurf den Erfordernissen der regionalen Wirtschaft überwiegend nicht gerecht. Zudem seien die im Plan zu vereinigenden Interessen in keiner Weise abgewogen worden.

Fehlende Flächen und zu viele Beschränkungen

Ziel des Regionalplans muss es aus Sicht der Wirtschaft sein, Siedlungsflächen bedarfsgerecht darzustellen, sowohl für Industrie und Gewerbe als auch für Wohnbebauung. Die IHKs hatten in einem aufwendigen Verfahren in enger Abstimmung mit den Kommunen einen Fachbeitrag der Wirtschaft erstellt. „Wir haben der Bezirksregierung die Ergebnisse im Vertrauen darauf zugeleitet, dass die angekündigte Beteiligungsbereitschaft ernst gemeint ist. Wenn man feststellt, dass sich nur Teile davon im Planentwurf wiederfinden, muss man das bezweifeln. Bei künftigen Beteiligungsverfahren werden wir das wohl anders handhaben.“

Zweifelhafte Berechnung von Wohnbauflächen

Der Regionalplanentwurf billigt vielen Kommunen kaum noch neue Wohnbauflächen zu und verweist auf bestehende Reserven. Dabei handelt es sich jedoch häufig um Flächen in Privateigentum, die nicht verfügbar sind. Zudem seien die Parameter für die Berechnung der künftig bereitgestellten Wohnbauflächen weder transparent noch nachvollziehbar, bemängelt IHK-Geschäftsführer Hans-Peter Langer: „Es werden für die Ermittlung Durchschnittswerte zugrunde gelegt, die fernab der tatsächlichen Gegebenheiten im ländlichen Raum liegen.“ Herangezogen werde zudem die demografische Entwicklung der Vergangenheit, die einfach für die kommenden Jahre fortgeschrieben werde und damit die Handlungschancen der Kommunen beim demografischen Wandel negiert. Zudem schwindet die Wahrscheinlichkeit drastisch, dass sich Fachkräfte aufgrund fehlenden Wohnbaulands hier niederlassen. Hinzu komme, dass „Bereiche für den Schutz der Natur“ bis unmittelbar an die Siedlungen herangeführt, teilweise sogar über sie gelegt würden, sodass eine künftige Erweiterung ausgeschlossen sei. Wohnbauland könnte sich dadurch verteuern.

Überbordende Umweltregelungen

Ein Großteil des Regionalplanentwurfes umfasst Regelungen für die Freiraum-Entwicklung und sieht hierfür umfangreiche wie tiefgreifende Regelungsmechanismen vor. „Wo bislang ohne eine derartige Vorgabenfülle der Charakter eines attraktiven und erfolgreichen Lebensraumes gewährleistet war, soll nun mit einem kaum zu überblickenden Instrumentarium eingewirkt werden. Das ist der Ausfluss von Träumereien über die Allheilmacht staatlicher Vorgaben und völlig unangebracht, wenn es um die Zukunftsperspektiven des Wirtschaftsstandortes geht“, unterstreicht Felix G. Hensel: „Man fühlt sich an eine regelrechte Planwirtschaft erinnert.“
Teilweise würden sich die Bereiche für den Schtuz der Natur mit bestehenden und geplanten Siedlungsräumen oder auch Straßenplanungen überschneiden. Verwunderlich sei zudem, dass „in besonderen Fällen“ über die Ausweisung der Naturschutzbereiche hinaus sogar eine Entwicklung außerhalb dieser Bereiche ausgeschlossen werden soll.

Windenergiebereiche entfernen

Gänzlich inakzeptabel sei die durch den Regionalrat beschlossene Ausweisung von Windenergiebereichen im Regionalplanentwurf, für die es überhaupt keine Notwendigkeit gebe. Es handele sich ohnehin um privilegierte Bauvorhaben, denen die Städte und Gemeinden Vorrang einräumen müssten. Der Entwurf verorte großflächige Windenergiebereiche insbesondere in Wittgenstein und im östlichen Teil des Kreises Olpe. Dies sei unverhältnismäßig. Klaus Gräbener: „Wo es den Bürgermeistern in den letzten Jahren gelungen war, die öffentliche Diskussion zu steuern und auf Akzeptanz auszurichten, verhärten sich nun die Fronten erneut. Damit hat Arnsberg der Energiewende einen Bärendienst erwiesen; weniger ist eben manchmal mehr!“ Gerade bei diesem Thema bescheinigen die IHKs der Bezirksregierung eine „selten erlebte Bevormundung“. Sie bezweifeln die Verfassungskonformität. Das Thema Windenergie habe im Regionalplan nichts zu suchen.
Auch das Vorgehen der Bezirksregierung und die Form des Regelwerkes stoßen auf deutliche Kritik der Wirtschaft: Zu unübersichtlich, zu widersprüchlich, zu unausgewogen sei der Planentwurf. Kommunen, Unternehmer und Privatpersonen fühlten sich nun vor den Kopf gestoßen und getäuscht, erläutert Klaus Gräbener. Dies sei in jeder Hinsicht schlecht. Ein dauerhaft beschädigtes Vertrauen der Städte und Gemeinden in die Bezirksregierung liege nicht im Interesse der Wirtschaft.

(Foto: Wipo Archiv | Stand: 25.06.2021, 15:55 Uhr)