Wittgenstein. In den vergangenen vier Jahren ist das umgebaute Abenteuerdorf Wittgenstein (ADW) ganz neu zu einem Mittelpunkt des Evangelischen Kirchenkreises Wittgenstein geworden, auch weil die Synoden als regelmäßige Kirchenkreis-Versammlungen inzwischen durch die Bank weg im gastfreundlichen ADW in Wemlighausen stattfinden. Umso bedauerlicher, dass die Sondersynode am Mittwochabend, die sich ausschließlich mit der Freizeit-Einrichtung des Kirchenkreises beschäftigte, corona-bedingt nicht im ADW sein konnte, sondern als Zoom-Konferenz.

Balanceakt zwischen Wirtschaftlichkeit und Bedeutung

Aber wer das als schlechtes Omen sah, lag falsch: Am Ende sprachen sich 30 Delegierte bei vier Gegenstimmen und vier Enthaltungen nach einem vollgepackten zweieinhalbstündigen Programm für eine Lösung aus, die zum einen die wirtschaftlichen Realitäten anerkennt, zum anderen der wichtigen Arbeit der Einrichtung Rechnung trägt: „Die Synode ist sich bewusst, dass das Abenteuerdorf Wittgenstein aus rein betriebswirtschaftlicher Sicht die Gewinnzone in naher Zukunft nicht erreichen kann. Aufgrund der inhaltlichen Bedeutung und der hohen Identifikation, die das Abenteuerdorf für den und im Kirchenkreis Wittgenstein hat, beschließt die Synode dennoch, den Betrieb des Abenteuerdorfes fortzuführen. Um den Betrieb des Abenteuerdorfes zu gewährleisten, beschließt die Synode eine jährliche Bezuschussung in Höhe von maximal jährlich 150.000 Euro im Rahmen des Vorwegabzugs, wobei eine kontinuierliche Reduzierung des Betrages anzustreben ist.“
Zuvor war es zunächst um die Vergangenheit gegangen. Die Rechnungsprüfungen des ADW selbst und seiner Baukasse für die Jahre 2016 bis 2019 wurden von Oliver Berg, Leiter der gemeinsamen Verwaltung der beiden Kirchenkreise Wittgenstein und Siegen, vorgestellt. Nachdem die Synode den Verantwortlichen in diesen Punkten eindeutig Entlastung erteilt hatte, stand der ADW-Betrieb im Mittelpunkt. Geschäftsführerin Silke Grübener blickte sehr prägnant zurück in die knapp 50-jährige Geschichte des ehemaligen Freizeitzentrums und in die Gegenwart während der Corona-Pandemie.
Ausgehend vom Vor-Corona-Jahr 2019 als Referenzgröße konstatierte Dr. Dirk Spornhauer aus der Gewinn- und Verlustrechnung ein Minus von 117.000 Euro, inklusive 65.000 Euro Abschreibungen, hypothetisch für künftige Renovierungen. Dezidiert sprach sich der Finanzausschuss-Vorsitzende dagegen aus, sich den Verlust auf 52.000 Euro schönzurechnen. Dennoch sah er Möglichkeiten, die Verluste weiter zu minimieren, was auch teilweise in den vergangenen Monaten schon erreicht wurde: durch Einsparungen, vorliegende Buchungen, bereits umgesetzte Preiserhöhungen. Außerdem skizzierte Dirk Spornhauer die komplexen Folgen einer sofortigen Schließung der Einrichtung: „All das sind Fragen, die wir im Finanzausschuss erörtert haben. Wir haben dann nach langen und intensiven Diskussionen die Empfehlung abgegeben, den Betrieb des Abenteuerdorfes fortzuführen.“ Das fußte auf einem bereits zuvor formulierten Gedanken: „Wir können als Kirchenkreis und als Gemeinden nur deshalb existieren, weil wir zu einer Gemeinschaft gehören, die viel mehr, als unsere Gemeinde oder unseren Kirchenkreis umfasst. Und wir können nur deshalb inhaltlich arbeiten, weil uns Geld anvertraut wird, um arbeiten zu können. Und bei diesem Geld kann niemand von vornherein sagen: das ist meins, das steht mir zu. Wir können grundsätzlich nur existieren, wenn wir die Gemeinschaft aller im Blick behalten.“

Striktes Controlling

Vierteljährliche Bericht der Geschäftsführerin, die Entwicklung und Fortschreibung eines Business-Plans und eine Verbesserung der Angebotsstruktur und Auslastung im ADW waren Bestandteile eines engmaschigen Kontrollsystems, das der Finanzausschuss aus eben seiner Verantwortung einforderte.
Das Kirchenkreis-Leitungsgremium hatte sich für die Sondersynode den konkreten Finanzausschuss-Beschlussvorschlag zu eigen gemacht, nachdem man ihn im Kreissynodalvorstand intensiv beraten habe, so Simone Conrad:

Grundsatzentscheidung

„Vermutlich geht es Ihnen im ersten Moment wie uns: 150.000 Euro – so viel Geld! Aber auch: Was ist die Alternative? Könnten wir uns wirklich vorstellen, ohne das Abenteuerdorf im Kirchenkreis zu leben und zu arbeiten? Es ist eine Grundsatzentscheidung, die wir heute treffen: wollen wir das Abenteuerdorf weiterführen, auch wenn es zurzeit nicht kostendeckend betrieben werden kann?“ Nachdem die Superintendentin diese Fragen in den Raum gestellt hatte, gab es einige Wortmeldungen. Natürlich machte den Kirchengemeinden das Geld Gedanken, das ihnen künftig in ihren Kassen fehlen könnte. Maximal 150.000 Euro im Jahr, zu 70 Prozent von den Kirchengemeinden und zu 30 Prozent vom Kirchenkreis. Aber gerade als Einrichtung für Kinder und Jugendliche wurde das Geld als Zukunftsinvestition gesehen, der identitätsstiftende Charakter des Traditions-Hauses für den Kirchenkreis von Wittgenstein und Hochsauerland wurde betont, der realistische Versuch, die wirtschaftlichen Zahlen und die christliche inhaltliche Arbeit ehrlich zusammenzudenken, wurde gelobt. Am Ende stand eine geheime Abstimmung, so dass wirklich alle Stimmberechtigten ohne Blicke von außen nur ihrem Verstand, Gefühl und Gewissen folgend votieren konnten. Für den Jugendreferenten Daniel Seyfried als technischer Organisator der zweiten digitalen Wittgensteiner Kreissynode eine zusätzliche Herausforderung, die er aber erneut problemlos meisterte. Das Ergebnis mit einer knapp 80-prozentigen Zustimmung zur Fortführung der Arbeit im ADW war bei dieser Sondersynode eindeutig.
Die Tagesordnung sowie einige Präsentationen und Texte der Sondersynode sind auf der Wittgensteiner Kirchenkreis-Homepage einzusehen.

(Foto: B. Weinhold | Stand: 19.05.2021, 10:59 Uhr)