Erndtebrück. (bwh) Es ist ein bisschen wie eine Hochzeit, nachdem die Verlobung bereits 55 Jahre währte. Der Einsatzführungsbereich 2 der Bundeswehr und die Gemeinde Erndtebrück haben am Mittwoch gemeinsam die Patenschaftsurkunde unterzeichnet. Und bereits seit 1966 gelten die goldenen Sätze in der Hachenberg-Kaserne, die Brigadegeneral Michael Traut gerne wiederholt: „Wachsamkeit ist der Preis der Freiheit und wir wachen, damit die meisten ruhig schlafen können“. Dabei hebt er die strategisch wichtige Bedeutung des Standorts hervor, welcher ein Zentrum für die Sicherheit des deutschen Luftraumes ist.

Mehr als nur ein Arbeitgeber

Doch dieses gewisse Etwas, dass Erndtebrück und die Bundeswehr verbindet, baut nicht nur auf dem Aspekt der Sicherheitsvorsorge auf. Nicht umsonst reihen sich neben dem Lehr- und Verfahrenzentrum und den stationierten Einsatzgruppen die örtlichen Vereine beim militärischen Appell ein. „Der reiche Austausch und die gegenseitige Unterstützung zwischen den teils sehr traditionsreichen Vereinen und den Angehörigen der Bundeswehr ist keinesfalls selbstverständlich und zeigt die Integration unserer Bundeswehrangehörigen in das gesellschaftliche Leben sehr plastisch“, führt Brigadegeneral Michael Traut weiter aus. Nach den Worten von Erndtebrücks Bürgermeister Henning Gronau ist es genau das, was den Soldatinnen und Soldaten auf dem Hachenberg vermittelt wird: Ein Gefühl des Willkommen seins. „In Erndtebrück freut man sich, jemanden beim Einkaufen oder im Zug mit Uniform zu treffen. Es ist es schönes und respektvolles Miteinander – und noch viel mehr: Die Bundeswehr und ihre Angehörigen sind ein Teil von Erndtebrück“, so Henning Gronau. Lobend hebt er die großartige Zusammenarbeit hervor, die unter den Kommandeuren Lars Hoffmann und Jörg Sieratzki in den sechs Jahren seiner Amtszeit die Beziehung zwischen Gemeinde und der Bundeswehr gestärkt haben.
Die ausschlaggebende Idee der Patenschafts-Begründung, welche durch Generalleutnant Klaus Habersetzter militärisch gebilligt wurde, stammte jedoch nicht von einem Erndtebrücker. Es war Major Hendrik Hector, welcher die zündende Idee hatte. Bürgermeister Henning Gronau macht vor der Unterzeichnung klar: „Es sind die Menschen, die über viele Jahrzehnte in eine gemeinsame Zusammenarbeit investiert haben.“ Dass die Bundeswehr auch in der Zusammenarbeit mit dem Kreis in der Pandemie-Bekämpfung enger zusammengerückt ist, weiß Landrat Andreas Müller zu schätzen. „Insgesamt 95 Soldatinnen und Soldaten waren bei der Amtshilfe aktiv, um dem Gesundheitsamt bei der Kontaktnachverfolgung, im Impfzentrum oder in Pflegeheimen zu helfen – teilweise bis zu 60 gleichzeitig. Da ist es Zusammengewachsen, wir hätten ohne die Unterstützung eine Kontaktnachverfolgung nicht mehr gewährleisten können“, so Andreas Müller.

Kommando-Übergabe

An diesem denkwürdigen Nachmittag war die Begründung der Patenschaft eine der letzten Amtshandlungen von Oberst Jörg Sieratzki, welcher das Kommando Oberstleutnant Sven Menger übergab. Seit April 2018 führte er den Einsatzführungsbereich 2. Verbunden mit Erndtebrück ist er seit dem Beginn seines militärischen Werdegangs 1987 als Wehrpflichtiger mit der Grundausbildung. Sein Resümee: „Wir konnten gemeinsam die Herausforderungen der letzten drei Jahre erfolgreich bewältigen“. Der gesunde Ausgleich zwischen der optimalen Auftragserfüllung und den persönlichen Interessen war stets seine Bestrebung. „Das Personal der Einsatzgruppe hat allen Anforderungen im Betrieb des Control and Reporting-Centers zur Sicherstellung der Luftraum-Sicherheit national als auch NATO-attestiert standgehalten“, so Oberst Jörg Sieratzki. Prompt verzieht sich auch der Wolkenbruch, der von zwei Pilatus PC-9-Schulungsflugzeugen begleitet wurde.
Für Oberst Jörg Sieratzki begründet sich ein neuer Lebensmittelpunkt in der Nähe der italienischen Stadt Ferrare. Dort wird er einen NATO-Posten im Bereich der Luftraum-Überwachun übernehmen. „Vertrauen und schaffen und geben, das ist die vornehmeste Aufgabe eines Kommandeurs“, begleiten die Worte von Brigadegeneral Michael Traut die Übergabe. Er dankt Oberst Jörg Sieratzki für die ständige Kooperationsbereitschaft und den wohltuenden Pragmatismus – sowie für die Ebnung des Weges hin zur Partnerschaft mit der Gemeinde Erndtebrück. Zu „Gruß an Kiel“ des Musikzuges der Freiwilligen Feuerwehr Netphen verabschiedet sich Oberst Jörg Sieratzki von Erndtebrück und macht den Weg frei für seinen Nachfolger Oberstleutnant Sven Menger. Der gewachsene Radarleiterstabsoffizier ist durch seinen Werdegang eng vertraut mit der Kommando- und Ministeriumsebene. Mit einer „guten Portion Soldatenglück“ übergibt Brigadegeneral das Kommando an Oberstleutnant Sven Menger, der sich sichtlich auf seinen Einsatz in Erndtebrück freut. „Es fühlte sich sofort danach an, als würde ich nach Hause kommen“, so Sven Menger, der bereits von 1999 bis 2001 und von 2011 bis 2014, zuletzt als Dienststellenleiter des Systemunterstützungszentrums, in Erndtebrück eingesetzt war. Seine Pflichten kennt er ganz genau, denn am Ziel und den Herausforderung ändert sich nichts: „In allen Stellungen zwischen Brekendorf und Kaufbeuren werde ich als Ihr neuer Kommandeur dafür Sorge tragen, die zwei Kernaufträge – den dauerhaften Betrieb der Einsatzführungszentrale und die Durchführung der qualitativ hochwertigen Ausbildung unseres Personals – bestmöglich zu erfüllen“. Sein Appell ist es nun, die formale Patenschaft zwischen Erndtebrück und dem Hachenberg nun mit Leben zu füllen.

(Fotos: B. Weinhold | Stand: 01.10.2021, 14:09 Uhr)