Wemlighausen. Als er nach Ghana kam, sei er gefragt worden, an welchem Wochentag er geboren wurde. Das wusste Rafael Dreyer nicht, deshalb wurde nachgeschaut. Er war donnerstags zur Welt gekommen, so wurde sein Vorname „Rafael“ mit „Yao“ ergänzt. In der größten ethnischen Gruppe des westafrikanischen Lands richten sich die Vornamen nämlich nach den Wochentagen der Geburt. Das sei praktisch, wenn man aus einer großen Gruppe kleinere habe bilden wollen. Er habe oft erlebt, dass die anwesenden Männer und Frauen so in je sieben Gruppen aufgeteilt worden seien. Als er nach Italien kam, habe er das dortige Kirchensteuer-Prinzip kennengelernt. Hier geben alle 0,8 Prozent ihrer Lohn- oder Einkommensteuer, die gehen an Religions-Gemeinschaften, den Staat oder an gemeinnützige Vereinigungen, das suchen Steuerzahlende selbst aus. Rafael Dreyer arbeitete bei der Evangelischen Waldenserkirche, für die sei diese Regelung praktisch: Sie hatte 2018 nach eigenen Angaben nur 45.000 Mitglieder, bekomme aber regelmäßig große Beträge aus der Mandatssteuer, weil breite Bevölkerungsteile gerade die diakonische Arbeit der reformierten Kirche sehr schätzten. Jetzt ist Rafael Dreyer in Wittgenstein. Als Pfarrer arbeitet der 50-Jährige ab dem 1. November mit Pfarrerin Christine Liedtke und Gemeindepädagoge Daniel Seyfried in einem Interprofessionellen Pastoral-Team, das sich künftig zu dritt um die Kirchengemeinden Bad Berleburg, Girkhausen und Lukas kümmert. Rafael Dreyer ist selbst Pfarrer-Sohn, auch mütterlicherseits hat er Pastoren in der Familie. Er studierte zunächst etwas Anderes. Schon den Zivildienst hatte er in der ersten Hälfte der 1990er Jahre im englischen Coventry abgeleistet, dem folgte ein Studium der Modernen-Europa-Wissenschaften in London. Das führte ihn für ein Jahr nach Bologna. Nach dem Abschluss in den European Studies schloss Rafael Dreyer ein Theologie-Studium in Berlin und Bonn an. Er war in dieser Zeit auch wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich „Kirchengeschichte“, zudem brachte er sich im theologischen Austausch mit der russisch-orthodoxen Kirche in Moskau und der anglikanischen Kirche in Cambridge ein. Sein Examen legte er bei der Evangelischen Kirche im Rheinland ab. Die Zeiten waren damals andere, von Pfarrermangel war noch keine Rede. Weil man ihm kaum Aussichten auf eine Stelle machte, ging Rafael Dreyer im Sommer 2009 wieder nach Italien. Dort durfte er nach etwas Hin und Her als Pfarrer-Anwärter in Sizilien arbeiten und lernte nicht nur die Waldenserkirche kennen, sondern auch seine künftige Ehefrau Esther. Sie gehörte zur Gemeinde der Presbyterian Church of Ghana, die die Räumlichkeiten der Waldenser in Palermo mitnutzte. Esther unterrichtete Englisch in der Grundschule, Rafael sprach besser Englisch als sein italienischer Kollege. Und so hatte er immer öfter mit der ghanaischen Gemeinde zu tun. Zwei Jahre arbeitete der Pfarrer in der Großstadt Palermo, nochmal so lange in der Kleinstadt Riesi. In Sizilien heirateten Rafael und Esther nicht nur, hier wurde auch ihre Tochter Sara geboren. Ihr Sohn Sergio kam in Attendorn auf die Welt, denn die nächste Pfarrstelle führte die Familie Dreyer ins Sauerland. Ab 2013 arbeitete Rafael Dreyer in der Evangelischen Kirchengemeinde Plettenberg. Von dort ging es im Sommer 2017 weiter, diesmal in Esther Dreyers Geburtsland Ghana. Das Netzwerk „Evangelische Mission in Solidarität“ brachte das Quartett in die Hauptstadt Accra, als Ökumenischer Mitarbeiter unterstützte der Pfarrer dort die deutsche evangelische Gemeinde und die Presbyterian Church of Ghana. Seine Ehefrau war nicht nur eine Hilfe für ihren Mann, weil sie drei der afrikanischen Sprachen des Landes beherrschte, daneben nahm sie an der Methodist University Ghana ihr Studium der Sozialen Arbeit auf. Und seit Sommer ist die Familie wieder in Deutschland. Seitdem hat der Pfarrer im Nachgang zu dem jüngsten Auslands-Aufenthalt an unterschiedlichen Stellen von seiner Arbeit in Afrika berichtet. Esther Dreyer wird im November und im Mai nochmal für einige Wochen nach Accra fliegen, um die letzten Prüfungen für ihr Studium abzulegen. Ihr Zuhause hat Familie Dreyer jetzt in Wemlighausen gefunden. Die zehnjährige Sara hat einen kurzen Fußweg in die Grundschule im Odeborntal, wo sie die vierte Klasse besucht, ihr fünfjähriger Bruder Sergio hat es auch nicht viel weiter zur Waldorf-Kita „Sonnenblume“. Die offizielle Einführung für Rafael Dreyer findet ganz am anderen Ende seines künftigen Einsatzgebietes statt: Alle Interessierten sind am Sonntag, 6. November, in die Elsoffer Kirche eingeladen, der Gottesdienst dort beginnt um 14 Uhr.

Bildhinweis: Pfarrer Rafael Dreyer arbeitet ab 1. November in Wittgenstein. Er wohnt mit Ehefrau Esther sowie den Kindern Sara und Sergio in Wemlighausen, mit Blick auf die Odebornskirche.

(Foto:privat | Stand: 02.11.2022, 08:55 Uhr)